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Warner Barracks - eine Ära geht zu Ende

Aufräumen ist angesagt auf dem Bamberger U.S. Standort Warner Barracks; Gebäuderäumen, Lastwagenbeladen, Kistenpacken, Möbelschleppen. Das Standorteigene Recycling Center ist stark frequentiert in dieser Zeit. Soldaten, Familien und Büros der Bamberger U.S. Kaserne machen ihre Dachböden, Keller und Garagen leer und die Sammelcontainer für Metall, Plastik und Papier voll. Auf dem Recyclinghof herrscht viel Bewegung.

Helmut Weis koordiniert die Recycling Arbeiten. Seit 1981 ist er am Standort, oder „bei die Ami“, beschäftigt. Nebenbei hat Weis über die Jahre so manchen Schatz der Bamberger Militärgeschichte geborgen: Fotos, Schilder, zahlreiche Fundstücke aus der Kaserne, die die gesamte Militärgeschichte der Bamberger Kaserne(n) erzählen . Einige Funde sind in seinem Büro in Glasvitrinen zu bestaunen. Sie gewähren einen Blick zurück in eine Zeit, in der das Deutsche Reich als „größter Kasernenhof der Welt“ galt und Bamberg ein Teil davon war.

Es sind Alltagsgegenstände - Flaschen und Bügelverschlüsse mit Aufdruck, Geschirr, Hufnägel, aber auch Regimentsabzeichen, verrostete Bajonette, Patronenhülsen - die etwa bei Erdarbeiten auftauchten.

„Wir haben Uniformteile des 5. Königlich-Bayerischen Infanterieregiments gefunden, aus der Anfangszeit der Bamberger Infanteriekaserne, so um 1890. Auf Dachböden der Pferdeställe haben wir Stiefel, Sattelhalter und Stallzubehör des 17er Reiterregiments gefunden, das als Nachfolgeregiment der sogenannten Kaiserulanen ab 1920 hier stationiert war. Außerdem Panzerteile des 35. Panzerregiments der deutschen Wehrmacht“, so Weis. Zeitweise waren 1500 Pferde in der Lagardekaserne einquartiert, berichtet er. Unter den Bohlen der Heulager im Dachgeschoss hat er noch einzelne Haferkörner der deutschen Kavalerie gefunden.

Die Fundstücke machen deutlich: Das Bamberger Kasernengelände war bereits 55 Jahre Militärstandort, bevor U.S. Soldaten der 3. und 45. Infantriedivision am 13. April 1945 von Süden bzw. Osten her in Bamberg einrückten. Nach kurzen Kampfhandlungen erklärten sie die Stadt bereits am 14. April für befreit.
Die längste Zeit - mittlerweile über 69 Jahre - ist der Standort eine amerikanische Kaserne. Mit dem Abzug der G.I.s im Sommer geht aber für Bamberg eine weitaus längere Ära zu Ende. Denn zum ersten Mal seit dem 16. Jahrhundert ist Bamberg dann keine Garnisonsstadt mehr.

Wer war Korporal Henry Warner?

Schon allein wegen der langen Zeit, die sie in Bamberg verbrachte, ist die 1. Infanterie Division, die legendäre „Big Red One“ oder „Fighting First“, eng mit Bamberg verknüpft. Sie war eine der ersten Einheiten an den Stränden der Normandie und sicherte den so wichtigen Brückenkopf der Alliierten am D-Day, der zur Befreiung Europas führte. Auch in der Ardennenschlacht im Dezember 1944, auf dem Weg nach Deutschland, musste die 1. Inf. Division harte Kämpfe bestehen und hatte zahleiche Verluste.

Henry Warner, ein 21-jähriger Korporal der 1. Inf. Division, war nie in Bamberg. Er fiel als Soldat des zur Division gehörenden 26. Infantrieregiments, am 21. Dezember 1944 bei Bütgenbach in den Ardennen, in der Nähe von Malmedy (Belgien). Warner hatte im Alleingang mit seinem Panzerabwehrgeschütz zwei deutsche Panzer am Durchbruch gehindert, den Panzerkommandeur eines dritten Kampfwagens in einem Pistolenkampf aus nächster Nähe vom Turm geschossen und so zum Rückzug gezwungen. Die amerikanische Kampflinie hielt bis zum nächsten Morgen. Wieder rückten deutsche Panzer gegen Warners Stellung vor. Wieder schoss er einen Panzer in Brand, bevor er selbst zwei Maschinengewehrsalven erlag. Posthum erhielt der junge Korporal am 23. Juni 1945 die „Medal of Honor“, die Ehrenmedaille und höchste militärische Auszeichung des amerikanischen Kongresses. Henry Warners Grab liegt in Troy, North Carolina. Aber ihm zu Ehren erhielt der Bamberger U.S. Kasernenkomplex am 15. Juni 1950 den Namen „Warner Barracks“.

Im Befehlsschreiben des europäischen U.S. Heereshauptquartiers und auf Befehl des damaligen Stabchefs, General Leutnant Clarence R. Huebner, wird noch von den Bamberger „Panzer, LaGarde and Artillerie Kasernes“ - also drei verschiedenen Kasernen - gesprochen; erst ab hier werden sie als gemeinsamer Kasernernkomplex „Warner Barracks“ bezeichnet. Huebner war bis Dez. 1944 Kommandeur der 1. Inf. Division.
Nachdem die 1. Inf. Division 1955 wieder in die USA verlegt worden war, kehrte sie 1990 noch einmal nach Bamberg zurück und kämpfte im Irakkrieg. Später unterstützte sie von Bamberg aus Friedenssicherungsaufgaben in Bosnien-Herzegovina, Mazedonien und im Kosovo. Vielen Bambergern ist die „Big Red One Band“ mit ihren zahlreichen Konzerten in der Stadt noch immer im Gedächtnis. 2006 wurde die Division in allen deutschen Standorten aufgelöst und im selben Jahr in Fort Riley, Kansas, wieder neu aufgestellt.

Wie die „United States Constabulary“, eine äußerst mobile U.S. Polizeieinheit des Heeres, die ihr Hauptquartier 1946 am Standort Bamberg aufschlug, führte die 1. Inf. Div. nach 1945 vor allem Ordnungsaufgaben in der gesamten amerikanischen Besatzungszone durch und sicherte die Grenze zur Sowietzone. Die Constabulary, (Spitzname „Circle-C Cowboys“ aufgrund ihres gelben, runden Abzeichens) wurde von General Eisenhower als „Super-Police Force“ eingefuehrt und war vor allem für Polizeiaufgaben in der gesamten amerikanischen Besatzungszone aufgestellt. Sie sollte die zahlreichen Kriegsflüchtlinge kontrollieren, da diese nicht immer unter deutsches Recht fielen, und den weitverbreiteten Schmuggel unterbinden. Weis besitzt Bilder der Constabulary von Militärparaden entlang der Regnitz und am Fuß der Altenburg.

Hundertausende U.S. Soldaten durchgeschleust

Der 1. Inf. Division folgten in Bamberg während des Kalten Krieges Truppen der 10. und der 3. Inf. Division, dazu verschiedene Logistik-, Fernmelde- und Transporteinheiten, Pioniere, die vor allem bei der Räumung der Munitionsanstalt (MUNA) gebraucht wurden, Soldaten des 2., 3. und 7. Kavallerieregiments, Luftabwehr- und Militärgeheimdienst-Einheiten, Artillerie-Einheiten und Militärpolizei samt Hundestaffel. Die Soldaten schoben Dienst als hochspezialisierte Radartechniker und Fernmeldetechniker, als Automechaniker, Köche, Fahrer, Offiziere, Juristen und Polizisten.

Hunderttausende U.S. Soldaten wurden seit 1945 durch die Bamberger Warner Barracks geschleust. Eine genaue Zahl konnte auch der zuständige Historiker der U.S. Armee in Europa, Dr. Andrew Morris, nicht nennen. „Mehrere hundertausend“, so seine Einschätzung, nannten Bamberg ihre Heimat auf Zeit.

Bamberger Einheiten transportierten 1948 und 1949 dringend benötigte Güter von den Seehäfen zu den Flugplätzen für die Berliner Luftbrücke, so ist es in einer Dokumentation im Auftrag der U.S. Armee von 2010 zu lesen. Für die Bamberger U.S. Truppen in Bamberg galt während der Kubakrise und dem Bau der Berliner Mauer Alarmbereitschaft. Die Mission der hier stationierten Truppen beinhaltete hauptsächlich die Sicherung der deutschen Ostgrenze zur damaligen DDR und Tschechoslowakei. In den 70er Jahren, so Weis, waren ca. 12.000 U.S. Soldaten in Bamberg stationiert. So viele waren es danach nie mehr, der Armee Standort galt als einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Zu dieser Zeit waren auch viele Wehrpflichtige unter den G.I.s.

Seit dem Ende des Kalten Kriegs hat sich die Mission des U.S. Heeres geändert; die Armee hat sich entsprechend angepasst und neu strukturiert. Im Zuge dieser Umstrukturierung verkündete das europäische U.S. Hauptquartier Mitte Februar 2012 den Abzug der U.S. Einheiten aus Bamberg und das Aus für die Warner Barracks.

Als Konsequenz wurde im Sommer 2013 die 16. Instandsetzungsbrigade aus Bamberg ins rheinland-pfälzische Baumholder verlegt. Schließlich kehrten die Fallschirmspringer der 173. Luftlandebrigade, die überbrückungsweise in Bamberg untergebracht waren, nach Vicenza (Italien) zurück. Die Warner Barracks wurden seither nicht mehr aufgefüllt; es ist ruhiger in den Wohnsiedlungen der „Amis“. Die Fuhrparks sind fast alle leer, das militärische Gerät verlegt. Viele amerikanische Soldaten und Familien haben sich auf den Weg gemacht in andere europäische Standorte der U.S. Armee, oder zurück in die USA. Dort sind sie Botschafter Bambergs. Viele haben vor, ihr „beautiful Bamberg“ als Touristen wieder zu besuchen. „Wirklich jeder Amerikaner, mit dem ich spreche, ist traurig, Bamberg zu verlassen. Keiner geht gerne weg“, berichtet auch Weis.

Die beiden Kompanien des noch verbliebenen 54. Pionierbataillons werden im Frühjahr 2014 ihre Kompaniefahnen einrollen. Als letzte Einheit der U.S. Army wird dann die 630. Feldjägerkompanie Bamberg verlassen.
Am 12. September wird die U.S. Fahne der Garnison Bamberg zum letzten Mal über den Warner Barracks flattern. Eine seit dem 16. Jahrhundert bestehende Tradition der Stadt als Garnison wird dann zum Ende kommen.

Simon Hupfer